Neuerungen beim Energiesicherungsgesetz – Basis für neue Umlage geschaffen
Vor Kurzem hat der Bundestag bereits das Gesetz zur Bereithaltung von Ersatzkraftwerken zur Reduzierung des Gasverbrauchs im Stromsektor im Fall einer drohenden Gasmangellage durch Änderungen des Energiewirtschaftsgesetzes und weiterer energiewirtschaftlicher Vorschriften verabschiedet. Nun hat auch der Bundesrat den Änderungen u.a. am Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) zugestimmt. Die Änderungen sollen in Kürze mit der zu erwartenden Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten. Jedoch stehen sie zum Teil unter einem beihilferechtlichen Genehmigungsvorbehalt der Europäischen Kommission. Wir schauen mit Ihnen gemeinsam auf die Änderungen am Energiesicherungsgesetz und was jetzt zu tun ist.
Preisanpassungsrecht in § 24 EnSiG
Bereits am 22. Mai 2022 ist das novellierte Energiesicherungsgesetz (EnSiG) in Kraft getreten. Darin enthalten ist § 24 EnSiG, welcher außerordentliche gesetzliche Preisanpassungsrechte vorsieht. Mit den neuesten beschlossenen Änderungen wird diese Regelung jetzt konkreter. Im neuen Gesetz wird deutlich, dass die Voraussetzung für die Preisanpassungsrechte die Feststellung einer erheblichen Reduzierung der Gesamtgasimportmengen nach Deutschland durch die Bundesnetzagentur ist. Vielmehr ist bei der Ausrufung der Alarm- oder Notfallstufe gemäß dem Notfallplan Gas keine automatische Aktivierung der gesetzlichen Preisanpassungsrechte gegeben. Die Feststellung der Bundesnetzagentur kann dabei einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden, sofern Zweifel an der Rechtmäßigkeit vorliegen.
Für die der Gasebene nachgeordnete Marktebene der Fernwärme hat die Bundesregierung bereits eine vergleichbare Regelung zur Preisanpassung getroffen. Der entsprechenden Verordnung hat der Bundesrat schon am 8. Juli 2022 zugestimmt. Dabei ist ein gesetzliches Preisanpassungsrecht für Stromlieferverträge nicht vorgesehen.
Neues Umlagesystem möglich – auf Basis nach EEG-Umlage
Zudem wurde mit § 26 Energiesicherungsgesetz eine gesetzliche Grundlage geschaffen, um die steigenden Kosten bei der Gasbeschaffung aufgrund ausfallender Liefermengen aus Russland durch ein Umlagesystem auf alle Gasverbraucherinnen und -verbraucher zu verteilen. Wie genau ein mögliches Umlagesystem aussehen kann, bleibt einer Rechtsverordnung der Bundesregierung vorbehalten – der Bundesrat muss dabei keine Zustimmung erteilen. Die Anwendbarkeit des Umlagesystems kann nur erfolgen, wenn eine erhebliche Reduzierung der Gasimportmengen nach Deutschland unmittelbar bevorsteht oder von der Bundesnetzagentur festgestellt worden ist. Dabei sieht das Gesetz vorerst keine Begünstigungen für energieintensive Unternehmen oder andere Verbrauchergruppen vor.
Der geplante, finanzielle Ausgleich wird direkt an die Gasimporteure gezahlt und anschließend im Zuge einer saldierten Preisanpassung an die Bilanzkreisverantwortlichen weiterbelastet. Nach Auffassung des Gesetzgebers können diese Belastungen entsprechend auf vertraglicher Grundlage als Preisbestandteile an Endkunden weitergereicht werden – ähnlich wie die anderen Ausgleichssysteme (z.B. bisher die EEG-Umlage).
Für eine Weiterbelastung an Endkungen müssten Regelungen in Verträgen oder AGB gegeben sein. WICHTIG: Prüfen Sie umgehend Ihre Gaslieferverträge hinsichtlich einer möglichen Kostenweitergabe an Sie und achten bei möglichen AGB Anpassungen von Versorgungsverträgen auf entsprechende Änderungen.
Das vorgesehene Umlagesystem steht in einem Alternativverhältnis zu § 24 EnSiG. Das bedeutet, solange der Umlagenmechanismus anwendbar ist, darf eine Preisanpassung nicht auf Basis nach § 24 EnSiG erfolgen.
Ausübung von „force majeure“ nur unter Vorbehalt
Auch gibt es eine komplett neue Regelung. Diese betrifft die Ausübung über Leistungsverweigerungsrechte (sog. „force majeure“). Demnach sieht der Gesetzgeber ein Leistungsverweigerungsrecht als nicht gegeben, wenn eine Ersatzbeschaffung möglich ist. Ebenso sieht das BMWK „force majeure“ nur in Ausnahmefällen tatsächlich als gegeben.
Zum Hintergrund: Im Zuge des Ukraine-Krieges wurden die Auswirkungen auf die Preisentwicklung bei der Materialbeschaffung als Fall höherer Gewalt eingeschätzt. Das Bundesministerium hat ein Auslegungsschreiben zum Umgang mit Preissteigerungen in der öffentlichen Auftragsvergabe (Liefer- und Dienstleistungen) geprüft und sich dagegen gestellt. Der in § 27 Energiesicherungsgesetz vorgesehene Genehmigungsvorbehalt sieht nun konkret vor, dass ein Energieversorgungsunternehmen sich nicht auf Force Majeure berufen kann, wenn es von deutlich höheren Beschaffungspreisen betroffen ist. Auch bei stark gestiegenen Beschaffungskosten muss der Beschaffung sowie die Lieferpflicht an Kunden nachgekommen werden. Auch hier entscheidet zukünftig die Bundesnetzagentur, ob ein Lieferant sich auf höhere Gewalt berufen darf.
In Zukunft können energieintensive Letztverbraucher bei Versagung unter Bezugnahme auf höhere Gewalt durch den Lieferanten eine dezidierte Prüfung vornehmen lassen. Dabei gibt es bei dem Vorgehen grundlegende Bedenken, da diese Vorgehensweise in bestehende Vertragsverhältnisse eingreifen würde. Um dem vorzubeugen, hat der Gesetzgeber in § 28 EnSiG einen Entschädigungsanspruch aus Aufopferung für das gemeine Wohl vorgesehen. Der Entschädigungsanspruch greift dann, wenn die Behörde die Genehmigung der Ausübung eines Leistungsverweigerungsrechts nicht oder nicht in angemessener Frist erteilt. Eine Dauer für diese „angemessene“ Frist sieht das Gesetz jedoch nicht vor.
Umweltrechtliche Erleichterungen
Ebenfalls im novellierten Energiesicherungsgesetz soll eine genehmigungsrechtliche Vereinfachung der Umstellung des Einsatzbrennstoffes von mit Gas betriebenen Anlagen auf Öl oder Kohle vorgesehen werden. Dadurch sollen gesparte Energieträger in der Versorgung zur „Deckung des lebenswichtigen Bedarfs an Energie“ eingesetzt werden. Der Bundesregierung wird durch § 30 Energiesicherungsgesetz die Möglichkeit eingeräumt, von diversen umweltrechtlichen Vorschriften befristet abweichende Regelungen zu treffen.
Das Genehmigungsverfahren soll insbesondere dadurch vereinfacht und beschleunigt, dass die in vielen Fällen durch den Brennstoffwechsel verursachten Überschreitungen von Emissionsgrenzwerte temporär nicht eingehalten werden müssen.